Redebeiträge der Kundgebung

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Die geplante Annexion und ihr Kontext
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Über die Tabuisierung der Palästinasolidarität in Deutschland
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Anitrassismus und Palästina
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Queeres Palästina
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Vorgetragene Gedichte aus "We are not Numbers - Junge Stimmen aus Gaza":

 

Fünf Minuten (Israa Suliman)

 

 

 

Fünf Minuten noch, dann stürzt mein Haus ein.

 

Fünf Minuten nur, dann ist es dem Erdboden gleich.

 

Mein Zimmer, mein Bett, mein Kissen, mein Schreibtisch, mein Buch.

 

Alles wird plattgemacht.

 

Unter dem Schutt zerdrückt.

 

Fünf Minuten, noch eine letzte Träne.

 

Das reicht vielleicht, um meinen Pass, den Ausweis und ein wenig Geld

 

einzustecken.

 

Es reicht sicher nicht, um mir die Details in jeder Ecke des Hauses

 

einzuprägen

 

oder die Erinnerungsstücke an den Wänden zu retten.

 

Die Anstrengungen über all die Jahre, bis das Haus stand,

 

werden zunichtegemacht. In fünf Minuten.

 

Wieso?

 

Ich weine, ohnmächtig.

 

Mein Herz zieht sich still zusammen.

 

Ach, mein geliebtes Haus.

 

Mein vertrauter Unterschlupf.

 

Wie könnt ich mich verabschieden?

 

Zwei Minuten, ich zähle.

 

Noch eine Minute.

 

Ich warte mit angsterfülltem Herzen.

 

In der Ferne ein Hubschrauber in der Luft,

 

er kommt näher und näher.

 

Ich ahne es schon.

 

Eine laute Bombe.

 

Dann noch eine.

 

Alles ganz dunkel. Fürchterliche Angst.

 

Ein Augenblick nur, die Mauern sind weg.

 

Mein Haus ist verschwunden.

 

Nichts mehr da als leerer Raum.

 

Diese Trümmer sehen nicht aus wie mein Haus.

 

Der Geruch ist nicht derselbe.

 

Es ist der Geruch des Todes.

 

Der Geruch verbrannter Erinnerungen.

 

Ein Augenblick nur, und mein altes Leben ist vorbei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brief an eine Drohne (Ahmed Alnaouq)

 

 

 

Liebe Freundin,

 

ich wollte Dir diesen Brief nicht schreiben, wurde aber provoziert-man könnte sagen, dass Du mich mit Deinem pausenlosen Generve dazu getrieben hast, weil Du uns die ganze Nacht wach hälst. Ich kenne Dich schon lange, seit 2008. Ich erinnere mich daran, wie ich Dich zum ersten Mal sah. Du warst furchteinflössend – klein zwar, aber trotzdem furchteinflössend. Das war nur einige Tage nach Beginn dessen, was zu einem 21-tägigen Krieg gegen Gaza werden sollte. Als ich Dein tiefes, unaufhörliches Surren hörte, hatte ich keine Ahnung, was Du warst. Nur schon das Geräusch – mir life es kalt den Rücken herunter. Als ich dann am Himmel deine schmale silberige Silhouette sah, machten sich Staunen und Angst in mir breit.

 

Ich Weiss, dass Du zwar nicht menschlich bist, aber von einem Menschen gesteuert wirst. Wir haben in den Nachrichten gesehen, wie die Leute, die Dich steuern, nebenher Wein oder Kaffee trinken, während sie uns mal eben aus der Ferne erschiessen. In den Filmaufnahmen sah es aus, als ob die Soldaten nur spielten. Der Griff, mit dem sie Dich steuern, sieht aus wie der Joystick eines Videospiels. Es ist tatsächlich, als ob sie nur spielten. Und wir sind ihre Spielfiguren.

 

Nach Deinem ersten Besuch gingen die wildesten Gerüchte um. Die Leute sagten, dass Du das gefährlichste Kriegsgerät seiest, das je erfunden wurde. Einige meinten, dass Du unsere Gedanken lesen kannst und auf uns schiesst, wenn wir von Freiheit träumen. Einige Witzbolde sagten, dass Du sogar in unsere Häuser schauen und unterscheiden kannst, ob Frisch- oder Tiefkühlfleisch auf unseren Tellern landet.

 

Ich entschuldige mich für diese wenig gastfreundlichen Reaktionen meines Volkes. Du bist sicherlich ziemlich sauer auf meine Facebook-Freunde, die schon den ganzen Abend sarkastische Posts über Dich verfassen, während Du es Dir bei uns gemutlich machst für die Nacht:

 

 

 

Falls Du diesen Post liest, bist Du ein verlorener und sehr gelangweilter Bewohner des Gazastreifens, der wegen des Drohnenlärms nicht schlafen kann.

 

 

 

Liebe Drohne, ich grüsse Dich: Ich versuche zu schlafen, also lass dieses Surren in meinem Hirn. Sssssssssssss.

 

 

 

Die Drohnen sind keine Gäste mehr. Sie sind Familienglieder. Sie sollten mi tuns zu Abend essen.

 

 

 

Willst du nicht einfach reinkommen, liebe Drohne? Es gehört sich nicht,

 

Dich auf dem Dach oben allein zu lassen, bei der Kälte. Andererseits, wenn ich´s mir recht überlege; Halt doch einfach die Klappe, und fahr zur Hölle.

 

 

 

Ich frag mich, wieso den Drohnen nie der Sprit ausgeht. Sie geben überhaupt keine Ruhe.

 

 

 

Was meinst Du, fliegen sie mit israelischen oder ägyptischen Sprit?

 

 

 

Gibt es eine Tablette gegen Drohnen-Brummschädel?

 

Diese Menschen wissen nichts, das kannst Du mir glauben. Vergib ihnen doch einfach. Aber mal ehrlich, sie haben die Schnauze voll. Ich übrigens auch. Du ziehst jetzt schon seit mehr als zwei Wochen über unseren Köpfen deine Kreise.

 

Wir haben die Schnauze voll, weil Du nicht nur viele unserer Häuser zerstört hast, sondern uns auch in unseren Träumen verfolgst.

 

Wir haben die Schnauze voll, wei du seit 2008 mehr als 900 Bewohner des Gazastreifens umgebracht hast, unter anderem meinen Bruder und fünf gute Freunde.

 

Wir haben die Schnauze voll, weil die Menschen auf der ganzen Welt zu gewöhnlichen Gehupe oder zum Geratter von vorbeifahrenden Zügen schlafen dürfen. Wir hingegen mühen uns ab, neben Deinem unangenehmen Surren Schlaf zu finden – jederzeit einen Fuss halb auf dem Boden, bereit zur Flucht.

 

Wir haben die Schnauze voll, weil Du nicht nu rim Krieg surrst, sondern selbst während der sogenannten “friedlichen Zeiten” bei uns bist. Du glaubst, Du müsstest uns rund um die Uhr beobachten. Wir brauchen ein wenig Privatsphäre, ein wenig Ruhe.

 

Wir haben die Schnauze voll. Heute Nacht sehnen wir uns nicht nach fernen Ländern, träumen nicht von einer anständigen Arbeit oder davon, wie die Bewohner normaler Länder Besuch zu empfangen. Heute Nacht wollen wir nu reins: Geh einfach weg, und lass uns in Ruhe schlafen. Lass uns unsere Träume von wolkenlosen Himmeln ohne Drohnenschatten, von Vogelzwitschern ohne surrender Begleitstimme. Lass uns träumen heute Nacht, auch wenn Du uns morgen umbringst.

 

 

 

 

 

 

Ode an meine Geliebte, die Drohne (Basman Derawi)

 

 

 

Wir sind zusammen,

 

schon wieder.

 

Nur ich und sie,

 

beharrliches Surren.

 

Ich mag ihr

 

Schweigen.

 

Sie mag es,

 

wenn ich ihr zuhöre.

 

Ihre Stimme ist ein heller

 

Schmerz im Kopf.

 

Ich flehe sie an,

 

mich mit ihrer Liebe zu verschonen.

 

Aber sie ist true,

 

surrt die ganze Nacht vor sich hin.

 

Ich seh in meinen Träumen, wie sie

 

explodiert.